In der letzten Zeit kam es mehrfach zu Brandanschlägen auf den Jugendclub alpha 60 in Schwäbisch Hall. Damit wurde eines der ältesten selbstverwalteten soziokulturellen Projekte der Republik zum wiederholten Mal Ziel offensichtlich rechter Angriffe.
Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Angriffe auf unser Projekt gegeben. Aufgeklärt wurden sie fast nie. Und auch jetzt erwarten wir nicht, dass die Polizei ernsthaft nach den Tätern suchen wird. Dabei ist das rechte Umfeld in Hall und Umgebung nur allzu bekannt: Früher trieben Wiking-Jugend und HDJ weitgehend ungestört ihr Unwesen, bis sie bundesweit verboten wurden. Heute zeigen sich Reichsbürger und NPD in aller Öffentlichkeit. Die Behörden interessiert das wenig: Über die Aktivitäten der völkischen Ludendorff-Gesellschaft im Landkreis etwa wollen die Sicherheitsbehörden lediglich wissen, dass diese zweimal jährlich „Brauchtumsfeiern“ in Herboldshausen anmeldet.
Mit derart harmlosem „Brauchtum“ kennt sich die Polizei sehr gut aus. So gut, dass zwei Polizeibeamte gleich privat Mitglied des lokalen Ablegers des „Ku-Klux-Klans“ wurden. Als das herauskam, hatten die Beamten natürlich auch keinen Ärger zu erwarten. Nicht einmal Disziplinarverfahren wurden eingeleitet. Einen Ableger des KKK gibt es übrigens bis heute in Schwäbisch Hall. Ob da immer noch Polizisten Mitglieder sind, weil sie sich von der interessanten „Bibelauslegung“ angezogen fühlen, wie einer der beiden Polizisten vor dem NSU Untersuchungsausschuss aussagte, wissen wir nicht. Wundern würde es uns nicht, denn dass die Polizei auf dem rechten Auge blind ist, aber links gerne ganz besonders genau hinschaut zeigen die aktuellen Ermittlungen: Statt die Täter in den rechten Strukturen zu suchen soll der Club sich selbst per Videokamera ausspionieren.
Dass Nazis und Rassisten in der Polizei des Ländle ein strukturelles Problem sein könnten, ist nicht erst seit den NSU-Untersuchungen bekannt. Dass sie dieses Problem nicht angehen wollen, machen die Verantwortlichen aber sehr deutlich. Auf Polizeianwärter angesprochen, die in Chats nazistische und antisemitische Nachrichten geteilt, fällt der neuen Polizeipräsidentin in BaWü nur ein, über das gesamtgesellschaftliche Problem der Arg- und Sorglosigkeit zu sinnieren, die junge Leute bei der Nutzung Sozialer Medien an den Tag legen würden. Auf faschistische Umtriebe innerhalb der Polizei wird reagiert, „wenn wir von so etwas innerhalb der Landespolizei Kenntnis bekommen.“
Klarer kann man wohl kaum erklären, dass sich rechte Beamte keine Sorgen machen müssen – solange sie sich nicht erwischen lassen. Währenddessen sieht der Landesinnenminister die Polizei verunglimpft, wenn ein Comedian auf ‚racial profiling‘ aufmerksam macht und die Landespolizei lehnt eine Studie zu Rassismus in den eigenen Reihen trotz zahlreicher „Einzelfälle“ weiter vehement ab. Aufklärung sieht anders aus.
Und so erwarten wir von dieser Polizei nichts. Nicht, dass sie die Brandanschläge aufklären wird und nicht, dass sie sich jemals ändern wird. Die Verteidigung selbstverwalteter linker Strukturen liegt in unseren eigenen Händen. Es liegt an uns allen, unsere Attraktivität auszubauen und sie dem hierarchischen Einheitsbrei teutscher Gesinnung entgegen zu stellen. So lassen sich unsere Strukturen gegen Nazis verteidigen.
Diskussion einiger Altclubler
Mit großer Besorgnis und Wut nehmen wir, das Team der Freilichtspiele Schwäbisch Hall, zur Kenntnis, dass innerhalb von sechs Monaten nun bereits ein zweiter Brandanschlag auf das Gebäude des Club Alpha 60 in Schwäbisch Hall stattgefunden hat und verurteilen diese Tat auf das Schärfste.
Über die Motive können wir nur Vermutungen anstellen, wir sehen darin aber nicht nur die Beschädigung einer Lärmschutzmauer, sondern einen feigen Angriff auf einen Ort der Begegnung, der – einzigartig in der Region – aus dieser Stadt nicht wegzudenken ist, und auf die Menschen, die sich dahinter befinden und die seit mehreren Jahrzehnten mit wenig Geld, viel Liebe, viel Hingabe und unendlichem Idealismus einen lebenswerten Raum für alle schaffen.
Natürlich darf man anderer Meinung sein als die Vereinsmitglieder. Niemand muss sich mit linken Positionen identifizieren oder sie gutheißen. Wir sollten uns streiten, offen und hitzig debattieren. Zum Glück können wir das in unserem Land, ohne Angst haben zu müssen. Das ist die Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft. Aber weil dieser Anschlag genau das in Frage stellt, ist er ein fundamentaler Angriff auf unsere Form des Zusammenlebens und unsere Kultur, auf unsere Gesellschaft, auf unseren Stadtfrieden.
Wir erklären uns mit dem Club Alpha 60 und seinen Mitstreiter:innen solidarisch und fühlen uns mit Ihnen angegriffen. Wir schätzen die kulturelle, künstlerische, soziale und politische Arbeit des Vereins und unterstützen diesen Ort der Kultur und Diversität.
Gerade aufgrund der politischen Brisanz dieser Gewalttat fordern wir eine lückenlose
Aufklärung.
Wir brauchen keine Brandstifter!
Das Team der Freilichtspiele Schwäbisch Hall